Im Gespräch mit Aldo Haesler
Die Aufnahmen für dieses Portrait des Soziologen und Wirtschaftsphilosophen Aldo Haesler sind im Oktober 2018 entstanden. Lisa Oehler und Oliver Sachs haben sich per Nachtzug auf die Reise nach Rumänien, die Wahlheimat Aldo Haeslers begeben und besuchten ihn für einige Tage in Constanța, einer Stadt am Schwarzen Meer, die durch ihre kommunistische Vergangenheit mit den deutlich sichtbaren Spuren des einziehenden Kapitalismus eine zu den Themen sehr passende Kulisse geboten hat.
„Der Kapitalismus ist eine zutiefst kreative, aber auch eine mörderische Kriegsmaschine.“
Aldo Haesler beschäftigt sich als Soziologe mit dem Verschwinden sozialer Bindungen der Gesellschaft (social isolation) und der Substitution dieser persönlichen Beziehungen durch Geldbeziehungen. Außerdem beschreibt er eine fortschreitende Prägung der menschlichen Denkformen durch die Charaktere des Geldes, besonders durch das Verschwinden des Geldes in seiner physischen Form als Bargeld. Für uns ist dies die soziologische Beschreibung der Grauen Herren und ihrer Denkformen.
Das etwa siebenminütige Portrait macht diese Fragestellungen greifbar.
Vielen Dank für die beiden spannenden, ästhetischen und lehrreichen Videos!
Diese beiden Kurzfilme sind zwei kleine Meisterwerke, die in ruhigen Bild Sequenzen
die tiefen Gedanken der beiden Philosophen komunizieren.
Herzliche Grüße
Stefan Schütz
Vorsitzender des Chiemgauers
Ich habe mir die beiden Kurzfilme jetzt zweimal angeschaut und versuche zu verstehen, was Aldo Haesler und Eske Bockelmann zum Ausdruck bringen wollen.
In meinem Verständnis zeichnen beide ein düsteres Menschenbild. Beide scheinen im Geld etwas Wesenhaftes zu sehen, in dem das Wesen Mensch wie ein Fisch schwimmt (Haesler), das den Menschen in seinem Instikthaften so ergreift und in Besitz nimmt, dass der Mensch dem nichts mehr entgegensetzen kann, diesem Wesen Geld hilflos ausgeliefert ist (Bockelmann).
Ich kann verstehen, dass der Kapitalismus sich dieses Instinkthafte im Menschen zu Nutze macht und wir Menschen den Kapitalismus durch unser Instinkthaftes hervorgebracht haben und ihn kräftig am Leben halten. Ich denke, die Gier gehört zu dem Instinkthaften des Menschen, sie wird durch das Geld deutlich sichtbar. Aber ist es das Geld, das die Gier hervorgebracht hat? Der Mensch findet in sich Gier, Hass, Neid usw. aber auch Liebe, Mitgefühl, Solidarität. Der Mensch hat es in der Hand, seine Gedanken und Gefühle in die eine oder die andere Richtung zu lenken. Und – vor allem – er hat den freien Willen dazu.
Beide, Haesler wie auch Bockelmann, wirken auf mich sehr bedrückend. In dem Menschenbild, das sie zeichnen, kann ich mich selbst nicht wiederfinden. Ich fühle mich nicht als Geldsubjekt, auch wenn ich mir der Macht des Geldes bewußt bin. Und ich bin zutiefst davon überzeugt, dass der Menschen nicht nur instinkthaft ausgeliefert ist, sondern die Macht hat, selbst aus freiem Willen zu handeln und damit das gesellschaftliche Leben zu gestalten.
Beide Filme regen dennoch dazu an, mal selbst darüber nachzudenken, ob man Geldsubjekt ist oder freier Mensch. Um sich diese Frage zu stellen, muss man sich jedoch als freier Mensch begreifen.
Liebe Grüße
Carola
Liebe Carola,
das ist sehr interessant, denn ich verstehe das Menschenbild, das die beiden zeichnen als sehr positiv, allerdings durch den Einfluss des Mediums Geld unterdrückt. Geld in seiner heutigen Form ist für mich zwar aus der instinkthaften Gier, also aus einem Wesensanteil des Menschen hervorgegangen, hält uns aber zugleich kollektiv in dieser Gier gefangen. Natürlich ist es notwendig, dass wir uns als freie Menschen wahrnehmen, aber eben das sehe ich durch die subtile Prägung unseres Denkens nach den Eigenschaften des Geldes unterdrückt. Das erlebe ich überall um mich herum – sogar und ganz besonders bei Menschen, die das Geld verändern wollen – auch in mir selbst.
Dass Veränderungen im Außen oder in Systemen nur mit persönlicher Veränderung einhergehen können, davon bin ich ebenso überzeut wie Du.
Es gibt Menschen, die die Veränderung von Systemen als Voraussetzung für die Veränderung des Menschen verstehen, ich denke dazu gehören auch Aldo und Eske. Und es gibt Menschen, die die Veränderung des Menschen als Voraussetzung für die Veränderung der Systeme sehen.
Die Beschäftigung mit Momo hat mir die Bedingtheit der beiden Seiten gezeigt, denn ich glaube, dass – individuell gesehen – die Wesensänderung des Menschen der systemischen Veränderung vorausgehen muss, kollektiv betrachtet sehe ich es ungekehrt. Ich glaube es ist sehr wichtig zu verstehen, dass diese beiden Perspektiven sich nicht widersprechen oder ausschließen.
Betrachte ich die beiden Perspektiven als sich gegenseitig ergänzend, dann erscheinen mir beide richtig. Betrachte ich sie, als sich gegenseitig ausschließend, dann finde ich in beiden keine Wahrheit mehr.
Liebe Grüße, Oliver
Lieber Oliver,
“Betrachte ich die beiden Perspektiven als sich gegenseitig ergänzend, dann erscheinen mir beide richtig. Betrachte ich sie, als sich gegenseitig ausschließend, dann finde ich in beiden keine Wahrheit mehr.” – Da bin ich ganz bei Dir! Die Veränderung von “außen” kann Menschen helfen, sich ihrer Abhängigkeit vom Instinkthaften bewußt zu werden, die Veränderung im “Innern” bereitet den Weg für eine Veränderung im “Außen”.
Liebe Grüße
Carola
Ein toll gemachter Kurzfilm, der mich – obwohl die Hintergründe ja so vertraut sind – berührt und wieder verstörte.
Liebe Grüße,
David
Wunderbares Resultat. Sehr schön gefilmt und das Wesentliche aus den 8 Stunden Gespräch heraus geschält. Vielen Dank.
Liebe Grüsse
Aldo